Du hast eine Stimme – reinige deine Kehle, damit du sie verwenden kannst!
Liebe Weide-Freunde,
zunächst laden wir herzlich ein zu unseren dritten Köfels-Weide-Einkehrtagen:
Ankündigung: Weide-Einkehrtage in der Karwoche am Berg
Mit Prof. Willibald Sandler (tägliche Lehr-Impulse), Pfarrer Andreas Tausch (täglichen Eucharistiefeiern, bis Mittwoch) und Weide-MitarbeiterInnen.
ORT: Köfels (zwischen Umhausen und Längenfeld. Wunderschöne sonnige Lage am Berg).
ZEIT: Palmsonntag 1. April, abends, bis Karsamstag 7. April, mittags. Auch eine teilweise Teilnahme ist (begrenzt) möglich.
ZIELGRUPPE: Für Menschen mit der Sehnsucht, sich ganz in Gottes Hände zu geben
ANLIEGEN: persönliche Vorbereitung auf Ostern; Gebet um geistliche Erneuerung und ein Gebetshaus in Innsbruck
ANMELDUNG und RÜCKFRAGEN: Weide-Mail
KOSTEN: Selbstkosten (maximal 100.- für Essen und Wohnen) + freiwillige Spenden; nötige Arbeiten teilen wir uns auf.
MITNEHMEN: Bibel, Bettzeug, Wanderschuhe
"Reinige deine Kehle" - Über Fastenzeit und Stimmbildung
„Die Kehle reinigen“? Wir reden von räuspern. Die Engländer sagen: „I clear my throat“. Das klingt vornehmer, meint aber dasselbe. Auch der durchschnittliche Engländer, der „seine Kehle reinigt“, tut dasselbe wie jeder von uns: Er räuspert sich. Der Unterschied: Räuspern ist kein Reinigen der Kehle, sondern tut nur so. Räuspern ist, wie wenn man sich im Kehlkopf kratzt. Es bringt das Gefühl einer vorläufigen Besserung, aber die Kehle – und damit unsere Stimme – wird nur noch mehr aufgekratzt. Räuspern ist, wie wenn man die Saiten einer Violine mit einer Säge bearbeitet. Deshalb ist Räuspern für echte Sänger tabu.
Und was hat das mit christlichem Glauben zu tun? Sehr viel. Erstens die gute Nachricht: Du hast eine Stimme! Du hast eine Stimme in dieser Welt! Gott hat dir eine Stimme gegeben! Wenn deine Stimme ausfällt, dann fehlt etwas in dieser Welt! Wenn deine Stimme ausfällt, dann fehlt etwas ganz Entscheidendes nicht nur in dieser Welt, sondern im Plan Gottes mit dieser Welt.
Zweitens die schlechte Nachricht: Unsere Stimmen sind ziemlich im Eimer. Ob Engländer, Österreicher oder Deutscher: Wir haben alle Stimmprobleme. Wir sind heiser, weil wir mit unserer Stimme Sachen gemacht haben, die nicht gut für sie sind. Sünde ist wie Sägen statt Streichen. Es ist wie das Bearbeiten einer Stradivari mit der Säge statt mit dem Geigenbogen. Das klingt nicht gut und tut dem wunderbaren Instrument nicht gut, als das Gott einen jeden von uns geschaffen hat. Aber warum sündigen wir dann? Weil es eben doch gut tut, – aber eben nur oberflächlich, kurzfristig, – wie wenn man sich kratzt oder räuspert. In Wirklichkeit macht es unsere Stimmen kaputt. Das spüren wir natürlich, und so kratzen und räuspern wir uns noch mehr. Wir wollen selber Abhilfe schaffen. Wir versuchen, Sünde durch Sündigen zu beseitigen. Gewaltsam wollen wir uns wieder eine Stimme verschaffen. Und in dem allgemeinen Gebrüll, zu dem unsere Welt so geworden ist, wird jeder nur noch heiserer.
Drittens die gute – nämlich ganz gute – Nachricht: Jemand ist gekommen, um „deine Kehle zu reinigen“. Jesus – „the clearer of your throat“, der erstklassige Stimmbildner. Das ist er nicht nur als Lehrer, sondern auch als Arzt. Man hat immer wieder versucht, das, was er gebracht hat, als eine bloße Lehre zu verstehen, zum Beispiel zur moralischen Auferbauung. Aber das ist zu wenig. Gute Tipps reichen nicht für unsere kranken Kehlen. Das Evangelium ist nicht bloß eine Information vom Himmel – dann wäre es nicht mehr als ein radikales Rezept zum Räuspern. Jesus ist nicht nur Lehrer, sondern zugleich Arzt. Er hat uns ein Heilmittel gebracht, – den Heiligen Geist. Seine Salbung ist Salbe auf unseren Wunden – das ist besser als Kratzen. Er ist das Wasser des Lebens – das geht runter wie Öl. Viel besser als Räuspern. Es tut wirklich gut.
„He clears your throat“ – Jesus reinigt deine Kehle wirklich. Er hat uns das Heilmittel mitgebracht, – ja er ist selbst das Heilmittel. „Dieser Wein ist mein Blut, das für euch hingegeben wird. Trinkt und ihr werdet leben“. Das Problem ist nur, dass wir mit unseren kranken Seelen-Kehlen keine Lust auf dieses Medikament haben. Und so nippen wir ein wenig dran und räuspern uns munter weiter. Und dann beklagen wir uns vielleicht, dass das Medikament so wenig hilft. Das ist das Problem der „half-core-Christen“. Mit unserer Halbherzigkeit schaden wir uns selbst und anderen. Schlimmstenfalls sind wir der lebendige Beweis für die Wirkungslosigkeit des Evangeliums. So verderben wir den Glauben von den anderen und von uns selber.
Das Evangelium ist radikal. Das war es am Anfang und das ist es auch heute noch. Es entfaltet seine volle Kraft erst, wenn man anfängt, es ohne Kompromisse zu gehen. „Ich bin der Weg“ hat Jesus gesagt, nicht: „ein Weg“. Das bedeutet Kompromisslosigkeit. Nimm ihn und lass das andere. Streich seine Salbe auf deine Wunden und lass das Kratzen. Trink sein lebendiges Wasser, seinen gewandelten Wein und lass das Räuspern!
Das ist der Sinn der Fastenzeit. Clear your throat – Reinige deine Kehle – deine Seele. Im Hebräischen, der Sprache des Alten Testament, gibt es für Kehle und Seele ein gemeinsames Wort: nephesch. Das drückt die Bedürftigkeit unseres Wesens aus.
„Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele (nephesch), Gott, nach dir. Meine Seele (nephesch) dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?“ (Ps 42,2-3)
Diese Erfahrung machen wir erst, wenn wir uns von den trügerisch-süßen Wässerchen abwenden, die den Durst nicht wirklich löschen, sondern nur vergrößern. Fastenzeit bedeutet zuerst ein Lassen.
„Lass ab vom Bösen, mach deine Hände rechtschaffen, reinige dein Herz von allen Sünden!“ (Sir 38,10).
– Also doch Selbstreinigung, doch „das radikale Rezept zum Räuspern“? Nein. Das Reinigen, das Jesus von uns verlangt, ist kein eigenmächtiges Tun, sondern ein Lassen: „Lass ab vom Bösen ...“. Er ist der, der heilt. Und wir sind die, die ihn heilen lassen. Und das bedeutet auch, dass wir zu ihm gehen und von den trügerischen Heilungsversuche ablassen. Wenn wir das vermischen und selber unsere Kehlen heilen wollen, dann sind wir wieder beim Räuspern. Es gibt ja auch ein frommes Räuspern.
Das heißt nicht, dass wir passiv sein sollen. Ihn heilen zu lassen und von den falschen Alternativen ablassen, ist eine sehr aktive Angelegenheit. Konkret: Ich verzichte darauf, mich mit gutem Essen zu belohnen, mit Wein und Süßigkeiten zu trösten, mir durch Shoppen etwas Gutes zu tun oder mich durch einen spannenden Film zu stimulieren. Wenn ich all das konsequent lasse, dann wird die Wirkung nicht ausbleiben. Es geht mir zunehmend – besser? – nein: dreckig gehen, – unter Umständen. Das ist nicht anders, als wenn man anfängt, kompromisslos auf das Räuspern zu verzichten. Die Stimme wird nicht automatisch besser, sondern noch schlechter. Bis man in seiner selbstverfügten Ausweglosigkeit dann doch konsequent zur der Medizin greift, die wirklich hilft.
Wenn ich alle falschen Auswege abgeschnitten habe, dann zieht es mich auf einmal in das Gebet: nicht als fromme Leistung, um etwas von Gott zu erlangen, sondern ich flüchte mich mit meiner ganzen Not und Verzweiflung zu ihm:
„Meine Seele (nephesch) klebt am Boden. Durch dein Wort belebe mich“ (Ps 119,25)
Mit diesem Flehen eines zerbrochenen, bußfertigen Herzens kann Gott etwas anfangen. Ein halbherziges Bitten – „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ – beschränkt Gottes Möglichkeiten, denn er hat sich von Schöpfung an festgelegt, unsere Freiheit zu respektieren. Deshalb kann er mehr für uns tun, wenn wir uns mit unserer ganzen Freiheit in seine Arme werfen. Und das ist oft erst der Fall, wenn unsere selbstherrlichen Projekte zerbrochen sind. So ist es David nach seiner Batseba-Affäre gegangen. Anstatt seine Geschichte selber flicken zu wollen, hat er sich mit ganzer Konsequenz Gott in die Arme geworfen, – und da konnte er feststellen:
„Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen.“ (Ps 51,19)
Das ist oft falsch verstanden worden. Als ob es Gott lieber wäre, wenn es uns schlecht geht und wir verzweifelt sind. Ihm geht es nicht darum, dass wir mit zerbrochenem Herzen zu ihm kommen; es geht ihm darum, dass wir überhaupt zu ihm kommen, – auch wenn es erst geschieht, nachdem wir durch Missbrauch unser Instrument beschädigt haben. Dass wir zu ihm kommen mit ungeteiltem Herzen, selbst wenn es zerbrochen ist. Dass wir zu ihm kommen mit unserer ganzen nephesch, unserer ganzen Seele-Kehle, auch wenn sie verdreckt und heiser ist.
Wenn wir so zu ihm kommen, immer wieder, treu und entschieden, weil wir wissen, dass allein er Worte des ewigen Lebens hat (Joh 6,68), weil wir uns festgelegt haben, die trügerischen Auswege des Kratzens und Räusperns bewusst zu verschließen, – wenn wir also so zu ihm kommen, dann kann sich etwas ereignen: Auf einmal mache ich – wie einst Franziskus – die Erfahrung, wie mir das Bittere süß und das (vordem, scheinbar) Süße bitter wird. Räuspern wird unangenehm und Sichkratzen ekelhaft. Die vordem mit Heißhunger verzehrten Süßigkeiten schmecken auf einmal widerlich; das Shoppen wird zur lästigen Verpflichtung, die man geduldig auf sich nimmt, so weit es eben sein muss. Und der ehedem mit Spannung erwartete Abendkrimi wird zur trostlosen Ablenkung. Ich gehe dem gern aus dem Weg oder hoffe, dass es bald vorbei ist. Denn ich sehne nich nur noch nach einem, – wie es im Lied heißt: „Jesus, wenn ich in deine Augen seh, ... will ich nur dich.“
Jesus, der Weg, wird nun selbst zum Ziel. Ich gehe gerne ins Gebet, und ich bleibe gerne in seiner Gegenwart, nicht um etwas anderes damit zu erreichen, sondern weil es so gut tut, bei ihm zu bleiben. Und wie ich so bleibe, und bleibe, immer wieder bei ihm bleibe ... Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat ... merke ich auf einmal, dass meine Stimme klar geworden ist. Die Stimme, die Gott mir gegeben hat. Die Stimme, ohne die etwas Entscheidendes an Gottes Plan mit dieser Welt fehlen würde.
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