13. Newsletter: So war die Eröffnung des Weide-Gebetshauses

Die Eucharistiefeier war ein Fest der Gegenwart Gottes, bei dem eine lange Zeit wie im Flug verging ...

Liebe Weide-Freunde,

Zwei Wochen liegt jetzt die Eröffnungsfeier unseres Gebetshauses zurück. Mehr als hundert Menschen besuchten uns an diesem Tag. Der Höhepunkt war die Eucharistiefeier, die von Caritas-Pfarrer Andreas Tausch und Pfarrer Franz Mühlbauer (aus der Diözese Regensburg) gemeinsam mit Diakon Andreas Sturm aus Imst zelebriert wurde. Siebzig Teilnehmende konnten in dem Gebetsraum und im oberen Treppenbereich gerade noch Platz finden. Die Feier war ein Fest der Gegenwart Gottes, bei dem eine lange Zeit wie im Flug verging. Besonders hat mich gefreut, dass auch einige Obdachlose den Weg hierhergefunden hatten, und dass sie sich bei uns wohlfühlten, auch in der Eucharistiefeier. Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Etablierte und Obdachlose können zusammenfinden, wo Jesus Christus die Mitte ist.

Die Räume des Gebetshauses sind für einige von uns inzwischen zu einer Heimat geworden, in einer Weise, wie ich es bisher nicht gekannt hatte. Das ist vor allem im Kommunikationsraum spürbar. Mit großen Fenstern und einer Glastüre ist er offen auf Vorplatz und Straße, wo immer wieder fremde Menschen vorbeigehen. Das Fliesengeschäft, das hier vorher war, hatte deshalb Rollos, die meist heruntergezogen waren. Und anfangs überlegten wir auch, Vorhänge aufzuhängen. Nun ist eine schöne, familiäre Atmosphäre entstanden, die durch fremde Vorbeigehende in keiner Weise beeinträchtigt wird, sondern umgekehrt sie mit herein nimmt. Wir freuen uns über jeden Menschen, der vorbeigeht. Und manchmal winkt sogar jemand herein. Auch auf diese Weise ist spürbar, dass es der Herr war, der dieses Haus erbaut hat.

Jeden zweiten und letzten Sonntag im Monat findet im Weide-Gebetsraum eine Eucharistiefeier statt. Gestern war die erste. Wie auch sonst beim Weide-Gebet verzichteten wir auf eigene Vorbereitungen und ließen uns während der Messe viel Zeit, um zu spüren, welche Lieder und Gebete Gott in uns freisetzen würde. Wir wussten nicht, wer kommen würde, und wie es mit einem derart ungeplanten Ablauf – im Rahmen der üblichen liturgischen Texte und Lesungen – laufen würde. Für fünfundzwanzig Menschen wurde es dann eine Zeit des Aufatmens in Gottes Gegenwart. Ohne, dass wir uns vorstellen konnten, wie, waren zwei Stunden um. Und bei der Agape gab es einen schönen Austausch zwischen Menschen, die sich vorher nicht kannten. Eine besondere Überraschung für mich war es, einen zweiten Willibald kennenzulernen. Er kommt aus der Steiermark und wohnt zur Zeit im Alexihaus. Beide staunten wir über die Gemeinsamkeiten. Beide hatten wir unseren seltenen Vornamen von einem Onkel, der kurz vor unserer Geburt verstorben war. In zwei Wochen will er zur nächsten Eucharistiefeier wiederkommen und einige Freunde aus dem Obdachlosenheim mitnehmen.

Herausgefordert sind wir durch eine liebe Obdachlose, mit der wir schon länger befreundet sind und die in letzter Zeit fast täglich gekommen ist. Sie ist mit solcher Freude dabei, singt laut, und manchmal tanzt sie sogar oder küsst das Kreuz. Aber Jahrzehnte der Verwahrlosung machen es für sie gleicherweise schwer wie für uns, das notwendige Maß an Sauberkeit und Hygiene zu erhalten. Wir wissen nicht, wie wir die Schwierigkeiten auf Dauer lösen können, aber wir haben den Eindruck, hier das zu tun, was Gott von uns will. Und wir sind auch sehr beschenkt davon. Es strahlt eine besondere Gnade aus der Gemeinschaft mit Menschen aus, denen man normalerweise gerne aus dem Weg geht. Wenn wir an unsere Grenzen kommen, dann führt uns das noch mehr in die Arme Jesu. Wir fangen an anders zu beten, wenn wir wissen, dass wir ohne seine Hilfe scheitern würden. Wenn wir zu ihm rufen: „Jesus hilf uns, wir brauchen dich, denn ohne dich wissen wir nicht mehr weiter“, dann erfahren wir auch Erhörungen, wie wir sie bisher nicht gekannt haben. Wir werden kleiner und er wird größer in unserem Leben.

Am kommenden Samstag haben wir im Gebetshaus einen Orientierungstag für Menschen, die an der Weide-Gemeinschaft interessiert sind. Die Weide-Gemeinschaft soll ja das geistliche Rückgrat für das Gebetshaus werden. Weide-Begleiter, die unsere Gebetszeiten durch eine hörende Hingabe an Christus tragen und Leitungsverantwortung dort wahrnehmen, wo es notwendig ist, sollen vor allem aus dieser Gemeinschaft hervorgehen. Unsere übliche „Schwierigkeit“: Wir wissen noch nicht, wie genau diese Gemeinschaft werden soll. Nicht wir dürfen hier Pläne und Konzepte schmieden, sondern wie bei den bisherigen Stationen der Weide müssen wir hören, was Er uns schenken will. Auch hier „sind wir dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat“ (Eph 2,10).

Zuletzt möchte ich euch noch auf die Fotos vom Gebetshaus und der Eröffnung hinweisen, um die Freude, die wir von Ihm geschenkt bekommen haben, mit euch zu teilen. Vgl. Bilder zur Eröffnung und Bilder zum Eröffnungsgottesdienst

Neu auf unserer Homepage ist außerdem eine kleine Sammlung von Texten zur Weidespiritualität.

Mit herzlichen Segenswünschen,

Willibald

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Kommentare: 2
  • #1

    franz mühlbauer (Sonntag, 11 November 2012 08:47)

    „sind wir dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat“ (Eph 2,10). liebe geschwister von der weide, dieser satz ist es der mich seit langem sehr herausfordert in der demut, im vertrauen, im loslassen aller vergleichenden gedanken, die immer wieder neu da sind und sich aufmandln... aber: denen, die GOTT lieben, lenkt ER alle dinge zum besten.
    herzlich segne ich euch:
    pfr. franz (amberg)

  • #2

    Michael (Samstag, 24 November 2012 13:30)

    Ich bin beeindruckt, wie Ihr Euch Gott zur Verfügung stellt und Euch von Ihm führen lasst.